…und im nächsten Herbst geht’s wieder hin.
Verdammt, dass fing ja gut an: Gerade hatte ich ein breit auf 60m an mir vorbeiflüchtendes Rottier beschossen, dass ohne zu zeichnen im angrenzenden Wald verschwand. Mist, dabei war ich doch gut, wenn auch etwas spät abgekommen und von der .300 Win.Mag. eigentlich deutliche Schusszeichen gewöhnt. Kurz zuvor hatte es bei Martin, der nur durch einen Erlen-/ Weidengürtel getrennt 150m vor mir auch auf einem Drückjagdbock in einem Schilfgebiet postiert war, gerummst. Danach brach ein stärkeres Stück (oder doch zwei?) auf mich zu – dann: ein Alttier, hochflüchtig. Kam das Kalb hinterher? 30m Sumpfwiese blieben mir zur Entscheidung. Kurz vorm Verschwinden fiel diese und damit der Schuss. Dann: siehe oben.
Es war der erste Drückjagdtag im hinterpommerschen Revier Polanow (Forstdirektion Szczecinek), nicht weit entfernt vom ehemaligen Fürst Bismarckschen Herrensitz Warrenzin, dem heutigen Sitz einer Forsthochschule.
Unsere Gruppe, alles Freunde der Brüder Norbert und Martin Blank, war durch Ziehen von Standplatzkarten für die Dauer der Jagd in eine weiße und eine grüne Gruppe gelost worden, zwischen denen sich natürlich sofort eine gesunde Rivalität einstellte.
Mit vier Geländewagen wurden wir jeweils direkt am Stand mit der notwendigen Instruktion („Getrieben wird von da, Nachbar da!“) entlassen. Schnell entpuppte sich die weiße Gruppe als rabiat scharf: Herrmann erlegte mit sicheren Schüssen in den ersten beiden Treiben ein Muffelschaf (mit „Schnabelschuhen“) und eine Überläuferbache. Bis zum Mittagsfeuer folgten dann noch 2 Treiben, allerdings ohne dass weiteres Wild zur Strecke kam.
Doch dann sollte es spannend werden: Meine Jagdkarte wies mir für das 5. Treiben den Stand 5 zu und Maciej zeigte mir einen Drückjagdbock auf einer kleinen Freifläche an einem großen See (500ha) hinter einem Schilfgebiet. Es sah verheißungsvoll aus, zumal mir die Sonne nach all den Schattenständen endlich wohl gesonnen auf den Rücken schien. – Und dann kam das Rottier wie anfangs beschrieben – und nach ihm die Ungewissheit. Würde der Schweißhund Erfolg haben?
Dann wurden wir zum nächsten Treiben gefahren. Gemäß meiner Platzkarte wurde ich auf einem Forstweg postiert, vor mir ein mit älterem Mischwald recht offen bestandener Hang, den ich bis zu seinem Kamm auf 150m einsehen konnte. Kein schlechter Stand. Schon bald wechselten genau auf dem Kamm nacheinander zwei stärkere Frischlinge – allerdings außer Reichweite eines waidgerechten Schusses – nach vorn, wo auch bald Schüsse fielen. Dann zeigte sich ein Fuchs, der sich aus dem Treiben drücken wollte. In hohem Farnkraut nur ab und zu sichtbar wechselte er 30m rechts von mir Richtung Fahrbahn, wo er im Graben verschwand, um dann 20m links von mir zu erscheinen. In einer rasanten Flucht wollte er den Weg überfallen – doch es blieb bei seiner Absicht, denn er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der wie beim Frettieren hingeworfene Schuss ließ ihn fünf Meter über den Weg rutschen. Ich freute mich über den gelungenen Schuss. Dann fesselte mein Nachbar Hermann meine Aufmerksamkeit, fielen bei ihm doch in schneller Folge zwei Schüsse. Was würde anwechseln? Doch irgendwie fühlte ich mich beobachtet. Im Augenwinkel nahm ich einen Fuchs war, der frei auf 30m neben mir im Bestand zu mir hin sicherte. Doch meine Bewegung – hatte ich mich überhaupt bewegt? – veranlasste ihn die Lunte schlagend zur Flucht. Wieder glitt die R93 an die Wange und fasste tatsächlich den Roten. Mein Selbstvertrauen bekam wieder zwei Streicheleinheiten.
Wenig später eilten noch zwei Frischlinge auf dem Kammwechsel zur Front, um dort (hoffentlich erfolgreich) empfangen zur werden. Schüsse fielen jedenfalls reichlich.
Dann kam Maciej: „Ein, nein zwei Fuuchs! Waidmannsheil! Und nochmals Waidmannsheil. Schweißhund hat Tier gefunden!“ Jetzt konnte ich mich richtig freuen. Der Schuss (Sako Hammerhead) saß ohne Ausschuss (absolut untypisch) auf der Leber und hatte das Alttier nach 120m verenden lassen. Schweiß fand der Hundeführer erst nach 70m. In diesem Treiben fielen noch drei weitere Frischlinge (Dirk, Heimo und Sebastian) wobei noch einer angeschweißt nicht gefunden wurde.
Doch dieser Tag hielt noch ein absolutes Highlight für mich bereit: Im 7. und letzten Treiben des ersten Jagdtages ließ Maciej mich auf einem Waldweg heraus, meine Nachbarn Oli und Hermann standen jeweils ca. 150m entfernt erwartungsfroh und gespannt. Vor mir leicht ansteigender, lückiger Kiefernhochwald mit einzelnen Farninseln, oberhalb begrenzt von einem jüngeren Nadelwald. Etwa 50 Meter links von mir zog sich eine junge Fichtenzunge bis zum Weg und darüber hinaus herunter. Sollten Sauen bei mir anwechseln, würden sie – wenn sie nicht völlig mit dem Klammerbeutel gepudert sein sollten – diesen schwer einsehbaren Wechsel annehmen. Das würde eine harte Nuss werden, da ich auf dem ohnehin sehr schmalen Weg nicht schießen konnte, ohne Oli zu gefährden! Wenig später hörte ich schon das typische Geräusch einer anwechselnden Rotte – und wie geahnt nahmen sie die Fichtenzunge an. Ich konnte zwei, drei Bachen und immer wieder Frischlinge erkennen. Was tun? Wie konnte ich die Rotte im Treiben, ja besser noch mir schussgerecht vor den Lauf bringen? Die Idee – könnte klappen: Blaser hoch, einen Schuss der Leitbache vor die Läufe. Tatsächlich dreht sie ab, auf mich zu und mit ihr die ganze Bagage. Nun hochflüchtig queren sie mich breit auf 30, 40 Meter. Drei Schüsse fallen, drei Frischlinge verenden im Herbstlaub. Der Rest kommt Hermann, der auch noch einmal zuschlagen kann. Donnerwetter, das hat gut geklappt. Nach dem Treiben meint Maciej kopfschüttelnd: „Bum, bum, bum, bum – schneller als Kalaschnikow.“ Naja, das ja wohl nicht, aber zumindest hatte ich getroffen.
Mit 17 Stück Wild waren wir für den ersten Tag sehr zufrieden, zumal alle reichlich Anblick gehabt hatten, in dem noch stark belaubten Wald allerdings manchmal vom anwechselnden Wild überrascht wurden. Der Abend wurde fröhlich bei Rotwein, Bitburger und Jägerliedern gefeiert
Es folgten noch zwei Tage, an denen wir uns von der kompetenten Jagdorganisation, dem sehr guten Wildbestand, der herzlichen Gastfreundschaft in diesem Revier überzeugen konnten.
Ich hatte das Glück mit 14 Stück Wild Jagdkönig zu werden, darunter waren zwei astreine Tripletten auf Frischlinge. Es war eine harmonische, fröhliche Gruppe, in der jeder so jagte, als sei er im eigenen Revier. Jagdförster Maciej hat sich dafür ausdrücklich bedankt.
Es bleibt die Frage, wie lange sich der polnische Staat noch derartige Reviere mit so einem hohen Wildbestand leisten kann und will. Es wird jedenfalls immer schwieriger für die Jagdförster wie Maciej, schwarze Zahlen zu schreiben. Und schön rechnen, wie es früher üblich war, wird von den Forstdirektionen nicht mehr akzeptiert. Immer mehr Forstdirektionen verpachten deshalb ihre Jagden an Jagdgenossenschaften.